Das Gymnasium Marianum in Meppen hat mit einer beeindruckenden Aktion an den Holocaust-Gedenktag erinnert.
80 Jahre nach Auschwitz – Holocaust Gedenktag am Marianum (von Jan Baum)
Imke hält den 20 €-Schein in die Luft. Dann faltet sie ihn, zerknüllt ihn, wirft ihn auf den Boden und stampft mit dem Fuß auf ihm herum. „Willst du den Schein immer noch haben?“ fragt sie.
1200 Schüler:innen und knapp 100 Lehrkräfte schauen Imke gebannt zu. Es ist mucksmäuschenstill in der Turnhalle des Marianums.
Heute ist der 27. Januar 2025, der „Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“. Vor genau 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von der Roten Armee befreit. Was die Soldaten vorfanden, war grauenhaft. Etwa 7500 Insassen – mehr tot als lebendig – waren noch vor Ort, da sie zu schwach und krank für die Todesmärsche waren. Über eine Million Kleider, ca. 45.000 Paar Schuhe und sieben Tonnen Menschenhaar wurden von den Nazis zurückgelassen. Insgesamt wurden hier über 1.1 Millionen Menschen ermordet.
Anna-Lena, Maxime, Lena, Imke, Alicia und Constanze (alle Jahrgang 11) haben aus diesem Anlass eine Gedenkveranstaltung für die gesamte Schulgemeinschaft vorbereitet. In bewegenden Worten informiert Anna-Lena über die historischen Hintergründe. Die sechs Mädchen stellen aber eine andere Message in den Mittelpunkt: Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit gibt es auch heute noch!
Musik erklingt, die Boxen vibrieren. Danger Dans Stimme schallt durch die Halle, auf dem Bildschirm können alle den Text mitlesen: „Es ist Oktober in Europa!“ In dem Lied der „Antilopen Gang“ geht es um den Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Als Folge kam es auch in Deutschland zu teils gewaltsamen antisemitischen Ausschreitungen. „Die Taten der Hamas wurden von Menschen gerechtfertigt, die vorher gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eingetreten sind. Diese Doppelmoral kritisiert das Lied“, informieren Maxime und Lena.
„Eine Zeit, von der wir geschworen haben, dass sie sich nie wiederholen soll, scheint immer mehr zurückzukommen. Judenhass ist immer noch ein aktuelles Thema. Juden erfahren aufgrund ihres Glaubens immer noch Hass und Diskriminierung“, ergänzt Alicia. Und Constanze fasst zusammen: „Gerade im Hinblick auf den Holocaust Gedenktag heute am 27.Januar wird deutlich, wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen und Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten.“
Schulleiter Hermann-Josef Rave zeigt sich beeindruckt von der Veranstaltung: „Ich danke Euch dafür, dass ihr keinen eindimensionalen Zugriff gewählt habt, und ich danke Euch für Euren Appell an uns alle, aus der Geschichte zu lernen und Antisemitismus entschlossen entgegenzutreten.“ Hoffen sei erinnern in die Zukunft hinein, so Rave. „Diese Veranstaltung bestärkt mich darin, dass diese Hoffnung berechtigt ist, zumal auf einen ganz wichtigen Punkt hingewiesen wurde, den wachen Blick für antisemitische Ausfälle. Antisemitismus gibt es ja nicht nur am äußeren rechten Rand, plakativ rausgebrüllt von tumben Gesellen in Bomberjacke und Springerstiefeln oder verklausuliert zwischen den Zeilen von rhetorisch geschulten Neonazis in Nadelstreifen. Nein, auch auf der extremen linken Seite des politischen Spektrums oder im fundamentalistisch-ideologisch ausgerichteten Islam gibt es Antisemiten, die unverhohlen die Vernichtung des Staates Israels fordern. Dem gilt es sich entgegenzustellen.“
„Willst du den €20,-Schein immer noch haben?“ fragt Imke. „Ja!“ antwortet ihr Bruder, so wie wir alle geantwortet hätten. „Der Geldschein verliert nämlich nicht seinen Wert, egal wie oft ich darauf trete oder ich ihn zerknicke oder zerknülle. Und so ist das auch bei uns Menschen. Wir verlieren unseren Wert nicht, egal wie oft wir beleidigt oder runter gemacht werden. Egal wie oft jemand etwas gegen unser Aussehen, unsere Hautfarbe, unser Verhalten oder unsere Religion sagt. Wir alle haben unseren eigenen Wert. Und dieser Wert geht niemals verloren.“